11.08.2022

Am 09. Juli 2022 starb unsere Mutter im Alter von 89 Jahren nach längerem Leiden und zuletzt mehreren Klinikaufenthalten.

 

Ich hatte bereits berichtet, was alles passiert war. Natürlich war unsere Mutter ein schon sehr alter und schwacher Mensch, aber Einiges hätte wirklich nicht passieren dürfen. Nur macht es wenig Sinn, sich mit einer Klinik und einem Pflegeheim zu streiten. Man sitzt leider immer am kürzeren Hebel.

 

Sie konnte schon länger nicht mehr alleine duschen. Morgens kam regelmäßig der Pflegedienst, aber von diesem wollte sie nicht geduscht werden. Als meine Schwester im Frühjahr noch da war, half sie ihr, aber sie war nun leider für fast drei Monate in der Türkei. Also fuhr ich nach der Arbeit alle zwei Tage zu meiner Mutter, die mit der Familie meines Bruders zusammen das Haus bewohnte; fragte, was man tun soll, und half ihr auch beim Duschen. Waschen wollte sie sich aber immer selbst. Ich durfte ihr nur den Rücken abschrubben, sie abtrocknen und beim anziehen helfen. Sie kam auch nicht mehr alleine in die Dusche hinein.

 

Etwa eine Woche vor ihrem Tod wurde ihr Zustand ernster. Sie konnte wegen Wasser in den Beinen schon längere Zeit kaum noch laufen, bekam schwarzen Durchfall und blutete. Ich half ihr beim Duschen, richtete ihr Essen und wusch immer wieder Kleidung, Handtücher, Bettwäsche und die Badezimmergarnitur. Wir holten ihren Hausarzt, aber sie wollte nicht mehr in die Klinik.

 

Gegen Mitte der Woche fand ich, dass man sie nicht mehr alleine lassen könnte. Mein Bruder hatte dringende Termine bei der Arbeit. Als ich ihn Donnerstagmorgens über WhatsApp kontaktierte, meinte er, er hätte ihr das Frühstück hingestellt, aber sie hätte noch geschlafen. Da es ihr Mittwochnachmittags schon so schlecht ging, dass sie kaum aus dem Bett kam, beschloss ich, nicht zur Arbeit zu gehen und fuhr zu ihr hin. Sie konnte ja nichts mehr zu essen für sich machen.

 

Sie wurde dann wach und aß auch etwas, aber im Lauf des Vormittags merkte ich, dass sie mich mit meiner Schwägerin verwechselte. Sie fragte mich, ob die Kinder schon wach seien und ich sollte doch hoch gehen zu ihnen. Mit Müh und Not konnte sie ins Bad und sich ein wenig frisch machen. Später kam der Pflegedienst, konnte aber nicht viel machen. Ich hatte vom Bäcker eine Brezel und ein Brötchen mitgebracht. Das Brötchen blieb das Einzige, was sie dann Mittags an diesem Tag essen wollte. Als mein Bruder von der Arbeit kam, fuhr ich nach Hause.

 

Ich hatte Donnerstags bei der Arbeit angerufen und meine Gruppenleiterin wollte eine Krankmeldung. Deshalb versuchte ich, bei meinem Hausarzt gleich für Freitagmorgen einen Termin zu bekommen, aber ich bekam erst gegen Mittag einen.

 

Als ich dann zu meiner Mutter kam, lag sie mit offenen Augen im Bett, schaute leer an die Decke und atmete laut und schnarrend, ohne zu reagieren. Sie kam auch nicht zu sich, als ich sie an der Schulter und an der Hand berührte. Das Frühstück, das ihr mein Bruder hingestellt hatte, stand unberührt da. Sie war eindeutig nicht mehr ansprechbar, aber ich hoffte erst mal, dass sich ihr Zustand vielleicht doch noch bessern würde. Wurde er aber nicht!

 

Ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen, als ihren Hausarzt anzurufen, der versprach, in seiner Mittagspause vorbei zu kommen, als er hörte, dass sie nicht mehr ansprechbar war. Meine Schwägerin kam runter und sagte, sie würde meinen Bruder anrufen, müsste dann aber die Kinder in den Kindergarten bringen und gegen Mittag mit der Katze zum Tierarzt. Etwas später rief mich dann mein Bruder an und meinte, er hätte ebenfalls den Hausarzt kontaktiert. Er würde so schnell wie möglich von der Arbeit nach Hause kommen. Er hätte eine Palliativschwester der Diakonie bestellt, die ebenfalls gegen Mittag kommen wollte.

 

Als meine Schwägerin zurück kam, rief sie für mich bei meinem Hausarzt an und sagte meinen Termin ab. Ich konnte da nicht hin. Mehr als Mamas Hand zu halten, konnte ich aber auch nicht tun. Gegen Mittag kamen dann alle, auch der Pflegedienst. Meine Mutter bekam ein hinten aufgeschnittenes Nachthemd an, damit man sie besser pflegen konnte und der Pflegedienst und die Palliativschwester machten sie frisch. Der Arzt sagte meinem Bruder, er könne ihr alle vier Stunden Morphium spritzen, damit sie nicht unruhig würde.

 

Als der Arzt weg war, kam meine Schwägerin von der Apotheke mit einigen Sachen. Die Palliativschwester konnte unserer Mutter einen Blasenkatheder legen. Es war damit zu rechnen, dass sie nicht mehr lange leben würde und so riefen wir die Familie an, ob es ihnen möglich sei, Nachmittags vorbei zu kommen, um sie nochmals zu sehen. Die Pfarrerin würde die Einsegnung vornehmen. Bei der Einsegnung waren auch die kleinen Kinder meines Bruders dabei. Ich fand das nicht gut, aber sowohl die Palliativschwester, als auch die Pfarrerin hatten das befürwortet. Besonders mein sechsjähriger Neffe schien etwas verängstigt zu sein, obwohl er sagte, er denke, die Oma würde einschlafen und dann in den Himmel zum Opa gehen.

 

Als die Pfarrerin schon weg war, kam der ältere Sohn meiner Schwester, der zu der Zeit an Corona erkrankt war. Er hatte halt eine FFP2-Maske auf, fasste nichts an und ging dann auch bald wieder. Erst später nach ihrer Arbeit, kamen der zweite Sohn meiner Schwester und meine Kinder, um ihre Oma nochmals zu sehen.

 

Die Palliativschwester kam Abends nochmals, aber da war ich dann schon zu Hause. Mein Bruder übernachtete im Wohnzimmer auf der Couch, damit er regelmäßig das Morphium spritzen und nach unserer Mutter schauen konnte.

 

Als ich dann am Samstagmorgen hinkam, war die Lage unverändert. Sie lag immer noch mit offenen Augen und rasselndem Atem, ohne jegliche Reaktion im Bett. Nur ab und zu versuchte sie, sich ins Gesicht zu fassen, oder verzog leicht das Gesicht. Ich setzte mich wieder zu ihr und hielt ihre Hand.

 

Etwa um 13 Uhr kam die Palliativschwester und mein Bruder half ihr, unsere Mutter zu waschen. Sie wollten sie auf die Seite legen und ihr die nächste Dosis an Morphium geben, als sie begann unruhig zu werden und in längeren Abständen unregelmäßig und lauter zu atmen. Ich nahm ihre Hand, die Schwester streichelte ihre Wange und mein Bruder stand auf der anderen Seite und hielt ihre Schulter. Die Schwester meinte zu meinem Bruder, sie glaube, es sei nicht mehr nötig und sagte zu ihr, „Frau K. … lassen sie los...!, als sie dann ihren letzten Atemzug tat. Es war etwa 14.10 Uhr.

 

Der Pflegedienst und die Schwestern waren sehr fürsorglich und sprachen die ganze Zeit während sie in ihren letzten Stunden da lag immer mit unserer Mutter, als ob sie alles mitbekommen würde. Man weiß es nicht... vielleicht hat sie ja auch tatsächlich alles noch mitbekommen und schien nur so abwesend zu sein.

 

Jedenfalls waren wir gleichzeitig entsetzt aber auch erleichtert, als alles vorbei war. Mein Bruder und die Schwester wuschen unsere Mutter und ich half der Schwester, das Kinn unserer Mutter hochzubinden und das Bett zu richten. Später, als die anderen im Hof saßen, räumte ich ein wenig auf, denn es lag noch einiges herum, das man vorher gebraucht hatte.

 

Ich blieb noch eine Weile da, wollte aber dann nicht abwarten bis der Arzt kam um den Tod festzustellen und fuhr nach Hause. In dieser Nacht konnte ich keine Sekunde schlafen und fühlte mich die ganze Zeit, als läge ich wie sie im Bett im Sterben und würde alles mitbekommen.

 

Sie wurde noch an diesem Abend nach dem Besuch des Arztes vom Beerdigungsinstitut abgeholt. Wir sahen sie dann nicht mehr. Meiner Schwester hatte ich ein Bild geschickt, wie sie auf dem Totenbett aussah, damit sie sie auch noch mal sehen konnte. Sie kam dann Dienstags von der Türkei zurück, Mittwochs hatten wir das Gespräch mit dem Beerdigungsunternehmer und Freitags sprachen wir mit dem Pfarrer, wegen der Beerdigung.

 

Am 22. Juli fand die Trauerfeier in der Kapelle vom Friedhof und die Urnenbestattung in einem Wiesenreihenurnengrab statt, wie es sich unsere Mutter gewünscht hatte. Es war eine kleine Bestattung, da wir die Todesanzeige erst hinterher veröffentlich haben. Nur Familie, ein paar Nachbarn und Freunde.

 

Ich war ja gleich nach ihrem Tod, am darauffolgenden Montag wieder zur Arbeit gegangen, was im Nachhinein gesehen wohl am Besten war. Nach etwa zwei Wochen ging es mir wieder so weit gut, auch wenn ab und zu noch die Erinnerung an ihr Sterben kommt und ich bin eigentlich froh, dass nun alles vorüber ist. Unsere Mutter wollte ja wegen ihren gesundheitlichen Problemen schon die ganze Zeit nicht mehr leben. Nun hat sie ihren Willen.

 

Mein Bruder hat ihre Wohnung schon weitestgehend ausgeräumt und wird sie so umbauen, dass sie das ganze Haus für seine Familie nutzen können. Alles andere wird verkauft, oder unter uns Kindern aufgeteilt. Höherpreisige Sachwerte sind aber nicht da. Sie hat nur noch etwas Geld auf dem Konto. Jetzt müssen wir abwarten, bis wir einen Erbschein bekommen, was anscheinend Monate dauern kann.

 

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Inzwischen ist ein halbes Jahr seit der Verordnung der Orthese vergangen und ich konnte sie wieder ablegen. Bisher habe ich keine Schmerzen. Nächste Woche muss ich zur Nachuntersuchung in der Klinikambulanz.

 

Ich habe nun schon über 20 Kilo abgenommen und wiege somit nur noch 82 Kilo. Im Moment habe ich Urlaub. Da fällt es schwer, standhaft zu bleiben und die Umwälzungen in der Familie haben ebenfalls dazu geführt, dass ich nicht weiter abgenommen habe, aber ich hoffe, es vollends auf die gewünschten 72 Kilo zu schaffen, wenn wieder alles seinen gewohnten Gang geht.