Anka

 

Als Kind wollte ich immer alle möglichen Tiere. Wir hatten auch immer einige Haustiere. Als ich klein war, hatten wir z.B. einen Goldfischteich, Schildkröten, Meerschweinchen, einen Wellensittich, Hühner, Stallkaninchen und immer wieder Katzen, die aber immer irgendwann verschwanden. Bevor ich zur Welt kam, brachte mein Vater auch mal einen jungen Raben an, den er aufzog.

 

Eigentlich wollte ich aber immer einen Hund, mit dem ich spazieren gehen könnte. Das war meinen Eltern leider zu teuer. Dann kam mein Vater aber doch auf die Idee, einen Welpen zu kaufen. Ich glaube, das hing damit zusammen, dass ich immer depressiver wurde und meine Eltern dachten, mir so helfen zu können.

 

Ich fand eine Zeitungsanzeige, wo jemand einen Wurf Howawarts zum Verkauf anbot. Howawarts sind eine Kreuzung zwischen Berner Sennenhund und Rottweiler. Mein Vater stimmte zu und wir fuhren hin.

 

Wir kamen an ein einsames Haus, und in einer Umzäunung sah man schon von weitem einen großen Rottweiler, der uns bellend meldete. Eine Frau kam aus dem Haus um uns zu begrüßen und führte uns zu einem kleinen Verschlag, ein Stück weit vom Haus entfernt, wo die Welpen mit der Mutter eingesperrt waren. Es war zwar etwas ärmlich und schmutzig, aber die Hunde sahen gesund aus. Ein Welpe sollte 350 Mark kosten. So suchten wir uns einen aus; ein Weibchen. Es musste aber noch zwei Wochen bei der Mutter bleiben.

 

Zwei Wochen später fuhren wir hin. Auch meine Mutter fuhr mit. Sie bestand darauf, dass der Hund ihr gehörte und ich ärgerte mich ein wenig. Auf dem Rückweg saß sie mit eng an sich gedrücktem Welpen auf einem Rücksitz. Ich überlegte die ganze Zeit, ob das gut für das Kleine war, aber wahrscheinlich half es gegen seine Verlassenheitsangst. Wir nannten sie Anka.

 

Die Anfangszeit war schwierig. Sie machte erst jede Nacht in die Küche, wo sie einen Korb bekommen hatte. Man musste ständig putzen. Nach einer Weile wurde sie aber stubenrein. Normalerweise hätte man mit ihr zur Welpenschule gehen sollen, aber das war wohl wieder mal zu teuer. Ich packte es auch nicht mit der Erziehung. Deshalb zog sie einen ihr Leben lang an der Leine hinter sich her, was bei einem so großen Hund schon anstrengend ist. Wenn ich mit ihr spazieren ging, ließ ich sie meist laufen. Mein Bruder und ich streunten oft mit ihr über die Felder und durch den Wald. Mit meinen Eltern musste sie immer den gleichen Weg gehen.

 

Irgendwann wurde meinen Eltern der große Hund in der Küche zu viel und sie bekam eine Matratze unter der Eingangstreppe vom Haus. Sie war dort nicht angebunden und es war auch von drei Seiten her geschützt, aber ich fand es viel zu kalt im Winter. Ich ging manchmal mit ihr zum Tierarzt, aber meine Eltern und mein Bruder hatten noch weniger Ahnung von Hundehaltung als ich.

 

So vergingen die Jahre bis mein Sohn zur Welt kam und ich krank wurde. Der Kleine war einige Monate hauptsächlich bei meinen Eltern und die Belastung auch immer noch mit dem Hund spazieren gehen zu müssen, war wahrscheinlich schon recht groß. Zu der Zeit war aber mein Vater schon in Rente. Sie waren sicher froh, als wir den Kleinen wieder zu uns holten.

 

Nach einem Jahr begann ich, wieder halbtags zu arbeiten und der Kleine war während meiner Arbeitszeit bei meinen Eltern. Er freundete sich schnell mit Anka an und ritt oft auf ihrem Rücken.

 

Sie lebte ein paar Jahre länger als mein Vater. Meiner Mutter fiel es zunehmend schwer, mit dem Hund umzugehen und einmal, als sie läufig war, passte sie nicht auf, und Anka wurde von einem Rüden gedeckt. Meine Mutter hatte mal wieder keine Ahnung, dass Hunde dann für einige Zeit zusammenhängen und riss Anka los. Anscheinend verletzte sie sich dabei innerlich und bekam einen übel stinkenden Ausfluss. Ob der Rüde etwas abbekommen hatte, erfuhren wir nie.

 

 

Mein Bruder fuhr mit ihr und meiner Mutter zum Tierarzt, der meinte, es sei eine Gebärmutterentzündung und diese müsste entfernt werden. Meine Mutter wollte das nicht. Sie ließ sie einfach einschläfern. Zu mir sagte sie immer, sie wollte ihr die Schmerzen einer Operation ersparen, aber wahrscheinlich war es in Wirklichkeit wegen dem Geld. Die OP hätte angeblich 2000 DM gekostet. Vielleicht hätte man das in Raten zahlen können und ich hätte auch etwas dazugegeben, aber ich wurde gar nicht gefragt.